Koalitionsvarianten: Ein Dirndl für Wien

In den Gesprächen zwischen Kurz, Kogler, (Meinl-Reisinger) geht es längst auch um die „Schlacht um Wien“.

Eric Frey im „Standard“, Heinz Nußbaumer in der „Furche“ oder Rainer Nowak in der „Presse“: die renommiertesten Journalisten des Landes setzen sich mit einer etwaigen Dreierkoalition von ÖVP, Grünen und den Neos auseinander. Zwischen Sebastian Kurz, Werner Kogler und ggf. Beate Meinl-Reisinger geht es aber mitnichten nur um eine „Dirndlkoalition“ für den Bund, sondern genauso um die nächste Koalition in Wien.

Bei den nun zu Ende gegangenen Sondierungsgesprächen hat die ÖVP eine aus ihrer Sicht historische Chance: Nicht nur, weil sie nach den unsäglichen achtzehn Monaten mit der FPÖ durch eine türkis-grüne oder eine Dirndlkoalition ihren Ruf als christlich-soziale Partei wiederherstellen könnte, sondern weil sie durch eine solche Regierungsbildung im Bund bei den anstehenden Wahlen in Wien im Herbst 2020 erstmals in der zweiten Republik eine realistische Chance auf das Amt des Wiener Bürgermeisters hätte.

Dreierkoalition in Wien

Sollte die Zusammenarbeit auf Bundesebene zwischen Türkis, Grün (und ggf. Pink) klappen, dann wäre dies ein starkes Argument für eine Dreierkoalition gegen die seit Jahrzehnten regierenden und dementsprechend als „verfilzt“ geltenden Roten auch in der Bundeshauptstadt! Wenn man bedenkt, dass eine Dirndlkoalition in Wien für die Grünen eine wesentlich bedeutendere Rolle innerhalb der nächsten Stadtregierung zur Folge hätte als die jetzige als Juniorpartner der in Wien nahezu allmächtigen und in alle Kapillaren der Stadt Einfluss nehmenden SPÖ. Denn die Grünen werden bei der anstehenden Wahl in Wien wohl ähnlich viele Stimmen und Mandate erhalten wie die ÖVP.

Falls sich die Wiener Volkspartei auch noch ihrer erfolgreichsten Zeit als Stadtpartei unter Erhard Busek mit seinen bunten Vögeln besinnt, dann finden sich inhaltlich für die Grünen und die Neos wahrscheinlich sogar mehr Schnittmengen, als mit einer in den Flächenbezirken Wiens oftmals recht populistisch und kaum von FPÖ-Positionen unterscheidbaren SPÖ.

Die Busek-ÖVP plakatierte seinerzeit nicht nur bunte Vögel, sondern auch Dinosaurier. Die Saurier von damals gibt es noch: Die Wiener Sozialdemokratie mit ihrer PR-Maschinerie rund um den PID (Presse und Informationsdienst), mit ihrem Einfluss über die Betriebe der Holding, oder als nach wie vor maßgeblicher Kraft im Alltag der Wiener von den Verkehrsbetrieben über Veranstaltungen wie dem Donauinselfest bis zur Bestattung.

Wenn also die ÖVP die Sozialdemokratie noch nachhaltiger schwächen möchte, als diese das selbst gerade tut, dann sollte sie bedenken, dass der Landeshauptmann von Wien (neben dem Gewerkschaftsbund) der letzte relevante sozialdemokratische Machtfaktor im Land ist. Müssten etwaige Strategen in der ÖVP nicht mit Vehemenz für Schwarz-Grün-Pink eintreten, um die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wien-Wahl 2020 auf Schiene zu bringen und damit eine nachhaltige Schwächung der SPÖ herbeizuführen.

Sollte sich die ÖVP aber auf den Versuch einer Minderheitsregierung nach Kreiskys Vorbild aus dem Jahr 1970 einlassen, wäre das Gegenteil der Fall. Die ÖVP würde mit einer solchen Vorgehensweise Rot-Grün oder sogar irgendwann Grün-Rot in der Wiener Landesregierung „zementieren“. In den Gesprächen zwischen Kurz, Kogler, (Meinl-Reisinger) und ihren Teams geht es längst auch um die „Schlacht um Wien“.

Golli Marboe ist Obmann des Vereins für eine offene Politik, der im Wahlkampf 2017 für eine Koalition zwischen Schwarz, Grün und Pink eingetreten ist. Diese Koalition war rechnerisch damals nicht möglich und es kam zu Türkis-Blau, aber zumindest der von dieser Initiative entwickelte Begriff der „Dirndlkoalition“ wurde seinerzeit etabliert.


Dieser Artikel erschien als Gastkommentar am 11.11.2019 in Der Presse.

Profil: Rainer Nikowitz – Die drei ???

Meinl-Reisinger: Kannst du eam leiden?
Kogler: I? Geh bitte!
Meinl-Reisinger: Passt. I eh a net.
Kogler: Des is aber schlecht. Du warast an sich des logische Bindeglied.
Meinl-Reisinger: Zwischen was?
Kogler: No, eam und mir. Ihr habt’s zumindest den Wirtschaftshuscher gemeinsam.
Meinl-Reisinger: Scheenan Dank!
Kogler: Und ihr seid’s a bourgeois.
Meinl-Reisinger: Des wird eigentlich immer besser.
Kogler: Stimmt doch! Du kannst mit eam sicher besser als i.
Meinl-Reisinger: I komm in a Regierung – und dann bin i in Wirklichkeit Beziehungscoach?
Kogler: Des kann ma so net …
Meinl-Reisinger: Für zwa Männer? Höchst unterschiedlichen Alters?
Kogler: Red weiter, und die Idee is no schneller tot, als sie geboren war.

Meinl-Reisinger: Ihr braucht’s mi ja sowieso net. Also worüber diskutieren wir da?
Kogler: Na ja … Ohne di komm ma nie zsamm, fürcht i. Und dann?
Meinl-Reisinger: Und dann?
Kogler: Macht der Kickl wieder den Napoleon für ganz Arme. Wer kann des scho wollen?
Meinl-Reisinger: Aber die Türkisen müssten dann vielleicht no mehr Minister hergeben. Des tut der Türkise an sich net so gern.
Kogler: Wir brauchen net so viele, dafür aber die besten Jobs. Verteidigung und den ganzen Kas kriegt er.
Meinl-Reisinger: Warum sollt er auf des einsteigen?
Kogler: Weil er geläutert ist? Ein anderer, als wir immer dachten? Weil er die besten Köpfe für dieses Land will? Weil er …
Meinl-Reisinger: Gib’s zu: Hast du was trunken?
Kogler: Ganz ohne schönsaufen wird’s bei dir a net gehen.


Diese Glosse von Rainer Nikowitz erschien am 19.10.2019 im Profil.

Der Standard: Kurz und Kogler brauchen die Neos

Eric Frey schreibt am 16.10.2019 im Standard:

Die Pinken sind ein fast perfektes Bindeglied zwischen zwei gegensätzlichen Lagern.

Noch weiß niemand, welche Koalition in Zukunft Österreich regieren wird. Aber viele Beobachter rechnen damit, dass sich das Szenario von 2002 wiederholt: Türkis und Grün werden miteinander verhandeln und letztlich scheitern.

[…] Doch das muss nicht so geschehen. Wenn Türkis und Grün nicht zueinanderfinden, gibt es einen dritten Akteur, der eine Brücke zwischen ihnen schlagen kann. Für eine numerische Mehrheit werden die 15 Abgeordneten der Neos nicht gebraucht. Für die Bildung einer stabilen und funktionierenden Regierung könnten sie sich hingegen als unerlässlich erweisen. […]

Neos als perfektes Bindeglied

Mit den Neos hätte Kogler bei seinen Kernthemen einen starken Verbündeten, den er gegenüber der so viel größeren ÖVP gut gebrauchen kann. Gleichzeitig könnte Kurz den Grünen bei der Schlüsselfrage der CO2-Besteuerung entgegenkommen, ohne in den Verdacht zu geraten, dass er sich die Politik von linken Chaoten diktieren lässt. […] Es ist auch nicht belegt, dass das Regieren bei drei Koalitionspartnern schwieriger ist als bei zwei – vor allem, wenn sich der Dritte als Vermittler eignet.

Das Hauptargument gegen die sogenannte Dirndlkoalition lautet: Das gab’s im Bund noch nie. Aber das gilt auch für Türkis-Grün. Es mag taktisch klüger sein, wenn vorerst nur diese beiden an einem Tisch sitzen und die Neos erst hinzugezogen werden, wenn sich diese Verhandlungen spießen. Aber dann werden sie gebraucht.

Denn da die ÖVP kaum mit der SPÖ koalieren wird, droht andernfalls die Wiederkehr einer türkis-blauen Koalition. Und das wäre für das Land die schlechteste aller Varianten.

Gesamter Artikel als PDF: DerStandard_Kurz und Kogler brauchen die Neos

Salzburger Nachrichten: Neos-Politiker Schellhorn: „Salzburg zeigt, dass Dirndl-Koalition funktionieren kann“

Interview mit Sepp Schellhorn zur Dirndlkoalition in den Salzburger Nachrichten (nur mit Premium-Zugang)

Die Presse: Neue Regierung: Wenn schon experimentell, dann richtig!

Rainer Nowak schreibt am 23.10.2019 in Der Presse:

Warum eine Regierungsbeteiligung der Neos sinnvoll ist.

[…]

Eine der am öftesten zu hörenden Fehleinschätzungen, warum ÖVP und Grüne die Neos in die Regierung nehmen sollten, ist das Argument, mit dem dritten Partner hätte diese eine besser abgesicherte Mehrheit im Nationalrat. Das ist dumm. Wenn zwei Parteien in einer Regierung bereits mit Abweichlern rechnen, können sie es gleich sein lassen. Ohne Disziplin funktioniert es nicht.

Nein, die Neos sollten keine bequemen Mehrheitsbeschaffer sein, auch keine Mediatoren. Sie wären in der Regierung wichtig und richtig, um den völligen politischen Neuanfang zu symbolisieren. Eine Koalition, die intern lustvoll diskutiert und neue Wege geht. Eine Koalition, die Transparenz neu vorlebt – von den Parteifinanzen bis zu Postenbestellungen. Die wirtschaftlich wie gesellschaftlich liberal ist. Und radikal proeuropäisch.

Gesamter Artikel als PDF: DiePresse_Neue Regierung_Wenn schon experimentell dann richtig

Die Presse: Die Sehnsucht in der ÖVP nach mehr Grün

Antonia Löffler schrieb am 5.10.2019 in Der Presse:

Junge Bürgerliche warben 2002 für Schwarz-Grün. Die Idee blieb. Ein Strang führte zu den Neos. Ein anderer nun womöglich zu Türkis-Grün.

[…]

Die Optimisten tragen Tracht

Dennoch fanden sich vor der nächsten Wahl neue Optimisten: die „Initiative Schwarz-Grün-Pink“ erschien 2017 im Netz. Ihr Koordinator, Robert Kastl, erfand den Namen „Dirndlkoalition“. Das Dirndl schaffte zwar nicht ansatzweise eine Mehrheit, aber mit türkiser Schleife versehen den Einzug in den Sprachgebrauch. Man stehe im Geist der Initiative 2002, sagt Mitgründer Golli Marboe. Personelle Überschneidungen mit den einstigen Protagonisten oder den Neos gebe es nicht, wobei man sich tendenziell im pinken Lager verorte und sie „übliche Verdächtige“ wie Erhard Busek und Franz Fischler unterstützten. Es brauche eine „Rückholaktion der christlichsozialen Schwarzen“. Wenn das ohne Pink möglich sei, werde man auch das unterstützen.

Michael Schuster ist skeptisch, dass ÖVP und Grüne zusammenfinden, wieder lägen die Kernwahlkampfthemen zwischen ihnen. „Damals waren es Eurofighter und Studiengebühren, dieses Mal sind es Mindestsicherung, Asyl und die ökosoziale Steuerreform.“ Und eine Dreierkoalition mit den Neos mache es „realpolitisch noch komplizierter“. Die Lehre aus 2002, dass man sich besser kennenlernen müsse, um zu koalieren, hätten beide Seiten noch nicht gezogen.

Marboe schätzt die Chancen heute höher ein. „Die Grünen haben damals noch nicht wie eine Volkspartei angemutet. Als sie ins Parlament kamen, war das eine Ansage der Jungen. Heute werden die Grünen von den Eltern und ihren Kindern gewählt.“ Was August Wöginger wohl zu dieser Analyse sagen würde? Der ÖVP- Klubchef hat die rote Linie kürzlich klar woanders gezogen, als er die verstädterten grünen Kinder aus den schwarzen Häusern schalt.

 

Salzburger Nachrichten: Dirndl-Koalition – Sounds of Basti

Der Standard: Was für und wider Türkis-Grün-Pink spricht

Eric Frey schreibt am 2. Oktober 2019 im Standard über die Dirndlkoalition:

Einerseits wäre die Abstimmung unter drei Partnern schwieriger, andererseits könnten die Neos als Vermittler auftreten.

[…] Trotz der neuen Mehrheitsverhältnisse schließen Experten und Kommentatoren nicht aus, dass die Neos als Dritte im Bunde hinzugezogen werden, wenn Sebastian Kurz und Werner Kogler tatsächlich miteinander koalieren.

[…] Das stärkste Argument für eine Dreierkoalition ist die Arithmetik. ÖVP und Grüne hätten gemeinsam eine Mehrheit von nur fünf Sitzen – weniger als jede andere Koalitionsregierung in der Geschichte Österreichs. Eine Revolte unter grünen Abgeordneten, betrieben etwa von der Wiener Basis, und die Mehrheit wäre dahin. Mit den Neos hätte die zweite Regierung von Sebastian Kurz eine deutlich breitere Mehrheit; Grünen-Chef Werner Kogler könnte im Notfall auch zulassen, dass eine Handvoll seiner Abgeordneten aus Gewissensgründen gegen eine Koalitionsvereinbarung stimmen.

Österreich hat die Wende gewählt

Wir gratulieren der ÖVP, den Grünen und den NEOS zu ihrem fulminanten Wahlerfolg bei der Nationalratswahl 2019. Die Initiative Schwarz-Grün-Pink hat sich dafür eingesetzt, dem Populismus und dem Stillstand ein Ende zu setzen. Dieses Ziel scheint in greifbarer Nähe, nicht nur mit einer Dirndlkoalition.

In den letzten zwei Jahren hat die türkis-blaue Ibiza-Koalition eindrücklich bewiesen, dass mit ihr kein Staat zu machen ist: Zwei Jahre wiederholter rechtsextremer „Einzelfälle“, Ibiza, Schredder-Affäre, BVT-Skandal und die Aushöhlung des Rechtsstaates durch Ex-Innenminister Kickl schadeten den Menschen im Land und dem Ansehen Österreichs in der Welt. Dafür haben die Wähler_innen die FPÖ abgestraft und ein unmissverständliches Zeichen gesetzt, dass sie eine Fortsetzung von Türkis-Blau nicht wollen.

Auch die ehemals „große“ Koalition aus ÖVP und SPÖ stellt keine wünschenswerte Alternative dar, denn die handelnden Personen haben schon vor der Wahl erkennen lassen, dass sie miteinander nicht können und wollen. Sie erinnern damit an die Zeit vor 2017, als die rot-schwarze Koalition nur beim Personaltausch der Kanzler und Parteivorsitzenden Tempo machte, während die Sachpolitik völlig still stand.

Die besonders wichtigen Themen wie Klimaschutz, Korruptionsbekämpfung, eine klare pro-Europa Orientierung, der Schwerpunkt Bildungspolitik und eine ernsthafte Integrationspolitik müssen jetzt umgesetzt werden. Die Dirndlkoalition war dafür bisher die einzige Option und bei den Österreicher_innen sogar die bevorzugte Koalitionsvariante. Da rechnete allerdings niemand mit dem starken Abschneiden ALLER Dirndlparteien. Klar ist, dass sich die Wähler_innen eine neue Konstellation wünschen.

Während wir 2017 mit einem weinenden Auge zusehen mussten, als die türkis-blaue Koalition gebildet wurde, freuen wir uns heute über alle Maßen. Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen die Koalitionsverhandlungen beobachten und gegebenenfalls aktiv werden. Unser Ziel bleibt unverändert, Populismus und Stillstand zu verhindern – mit oder ohne Dirndl!

Grüne, ÖVP und NEOS klare Wahlgewinner

ÖVP, Grüne und NEOS klare Gewinner. SPÖ und FPÖ stürzen ab. Liste Jetzt fliegt aus dem Nationalrat.

Die Hochrechnungen zeigen, dass ÖVP, Grüne und NEOS die klaren Wahlgewinner sind. Die ÖVP legt um 5,6 Punkte zu und baut mit 37,1% klar den Platz 1 und damit den Anspruch auf den Kanzler aus. Mit 14,0% (plus 10,2 Punkte) schaffen die Grünen nicht nur einen starken Wiedereinzug in den Nationalrat, sondern erreichen damit ihr historisch bestes Ergebnis. Die NEOS konnten ebenfalls ihr historisch bestes Ergebnis von 7,8% (plus 2,5 Punkte) erzielen.

Die klaren Verlierer der Wahl sind die SPÖ und vor allem die FPÖ. Die SPÖ sackt um 5,2 Punkte auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 21,7% ab und bleibt nur knapp über der zwanzig-Prozent Marke. Noch schlimmer wird die skandalgebeutelte FPÖ von den Wähler_innen abgestraft. Die Blauen erreichen nur mehr 16,1% (minus 9,9 Punkte) und liegen damit nur mehr knapp vor den Grünen.

Dieses Wahlergebnis macht drei klassische Koalitionsvarianten aus zwei Parteien möglich. Rein rechnerisch ist die Fortsetzung von Schwarz-Blau oder die Wiederbelebung der „großen“ schwarz-roten Koalition möglich. Eine neue Option auf Bundesebene ist eine schwarz-grüne Koalition, die erstmals über eine klare Nationalratsmehrheit verfügt. Der Ball liegt nun bei Sebastian Kurz, der in den nächsten Wochen eine stabile Regierung aufstellen muss.